Deutschland hat gewählt. Drei wichtige Themen hatten wir jedoch bei den vorangegangenen Triellen im Fernsehen und bei den meisten anderen Wahlkampf-Auftritten vermisst: Kriminalität, Prävention, Opferschutz. Der WEISSE RING, Deutschlands größte Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, hatte deshalb in den Parteizentralen nachgefragt, wie es CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Die Linke und die AfD damit halten.
Wie bewertet Ihre Partei die Kriminalitätsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, wo sehen Sie den größten Verbesserungsbedarf?
CDU/CSU
Deutschland bleibt auch im Jahre 2020 eines der sichersten Länder der Welt. 2020 hat die Polizei insgesamt 5.310.621 Straftaten festgestellt, über 1 Mio. Straftaten weniger als 2016. Die Kriminalität befindet sich damit, trotz einer höheren Bevölkerung, auf dem niedrigsten Stand seit 1993. Insbesondere bei Wohnungseinbrüchen ist 2020 ein starker Rückgang zu verzeichnen. Zugleich erreicht der Anteil der aufgeklärten Straftaten mit über 58 Prozent einen neuen Höchststand. Die Menschen in Deutschland erwarten zu Recht einen starken Staat, der sie schützt. Dafür werden CDU und CSU weiterhin gemeinsam arbeiten. Sicherheit und Freiheit werden jeden Tag aufs Neue herausgefordert. In 2020 konnten wir beobachten, dass es, bedingt durch Kontaktbeschränkungen, geringere Mobilität und mehr Homeoffice durch Corona, eine Zunahme an häuslicher Gewalt gab. Ebenfalls erhöht haben sich Fallzahlen beim sexuellen Missbrauch von Kindern und beim Subventionsbetrug. Auch die tätlichen Angriffe gegen Polizistinnen und Polizisten nahmen weiter zu. Insgesamt lässt sich sagen, dass sich Kriminalität immer mehr ins Netz verschiebt, das Internet wird als Medium unserer Zeit leider auch missbraucht.
CDU und CSU setzen auf ein Update aller Sicherheitsbehörden mit einem Dreiklang aus mehr Personal, besserer Ausstattung sowie zeitgemäßen Kompetenzen und Befugnissen. Strafverfolgungsbehörden und Polizei müssen diejenigen Instrumente an die Hand bekommen, die sie benötigen, um in der digitalen Welt so wirksam und schlagkräftig wie in der analogen Welt handeln zu können. Rechtsfreie Räume und Paralleljustiz wollen wir bekämpfen und das staatliche Gewaltmonopol konsequent durchsetzen. Für uns gilt bei der Kriminalitätsbekämpfung der Null-Toleranz-Grundsatz.
SPD
Wir brauchen einen Überblick über tatsächliche „Kriminalitätstrends“, wir müssen mehr wissen, um gezielt dagegen vorzugehen. Deshalb werden wir den von uns eingeführten Periodischen Sicherheitsbericht wieder regelmäßig erarbeiten lassen und hierfür eine gesetzliche Verpflichtung schaffen. Der neue sicherheitspolitische Bericht wird sowohl die wichtigsten polizeilichen Kriminalitätsstatistiken enthalten als auch Ergebnisse von Täterbefragungen und – ganz wichtig – die Opferperspektive.
Erscheinungsformen von Kriminalität, die unsere Sicherheit in besonderem Maße bedrohen, nehmen wir auch besonders ins Visier. Die Organisierte Kriminalität ist ein gravierendes und facettenreiches Kriminalitätsphänomen. Die sogenannte „Clankriminalität“ sorgt für Verunsicherung im öffentlichen Raum und nimmt für sich in Anspruch, nach eigenen Gesetzen zu leben.
Dies lassen wir nicht zu. Die Geschäfte von Organisierter Kriminalität werden wir genauestens kontrollieren und Geldwäsche vereiteln.
Rechte Gefährder nehmen wir systematisch in den Blick, die Entwicklung von rechten Strukturen in Städten und Gemeinden muss unterbunden und Rechtsextremisten konsequent entwaffnet und von Waffen ferngehalten werden. Auch Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden bekämpfen wir konsequent.
Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner. Um häusliche Gewalt wirksam zu bekämpfen, werden wir die Zusammenarbeit aller Verantwortlichen in staatlichen und nicht- staatlichen Institutionen verbessern. Wir wollen eine Weiterentwicklung des Hilfesystems aus Beratungsstellen, Frauenhäusern und anderen Schutzeinrichtungen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Deutschland ist grundsätzlich ein sicheres Land. Das liegt auch an der guten Arbeit der Polizei. Wir GRÜNE wollen, dass das so bleibt. Diebstahl, Einbrüche, Gewalttaten, Hassverbrechen oder organisierte Kriminalität belasten Opfer und ihre Angehörigen dennoch schwer. Wir stehen für einen starken Rechtsstaat und Sicherheit für alle Bevölkerungsgruppen. Hier gibt es Nachholbedarf beim Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und beim Kampf gegen rassistische sowie homo- und transfeindliche Hasskriminalität, um einige Bereiche zu nennen.
Zahlreiche Straftaten finden grenzüberschreitend statt, insbesondere die organisierte Kriminalität und islamistische oder rechtsextreme Terrornetzwerke machen nicht an Landesgrenzen halt. Zum Schutz der Bürger*innen und zur Verteidigung unserer Freiheit brauchen wir eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und Justiz. Rationale Sicherheitspolitik setzt eine solide Faktenlage und klare Zuständigkeiten voraus. Deshalb werden wir unter anderem den Periodischen Sicherheitsbericht wieder einführen, dessen Aussagekraft sich in der Vergangenheit bewährt hat.
FDP
Der öffentliche Raum muss allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen – ob zur Ausübung von Grundrechten, die für die freiheitlich-demokratische Grundordnung besonders bedeutsam sind, wie der Versammlungsfreiheit, oder schlichtweg zum Aufenthalt in der Freizeit. Der Staat hat die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit in diesem Raum zu schützen. Dazu sollte er primär auf faktenbasierte Präventionskonzepte setzen. Dabei sind auch die Besonderheiten der Jugendkriminalität – auch in Verbindung mit Alkoholkonsum – zu berücksichtigen, auf die typischerweise erfolgreich mit erzieherischen Maßnahmen eingewirkt werden kann. Bei Regelverstößen muss die öffentliche Hand hinreichend ausgestattet sein, um mit repressiven Maßnahmen zu reagieren. Um die Sicherheit im öffentlichen Raum zu stärken, bedarf es in der Regel nicht einer Verschärfung von Gesetzen. Vielmehr müssen vorhandene Gesetze konsequent angewendet werden. Maßgeblich für den Erfolg staatlicher Maßnahmen im präventiven und repressiven Bereich ist jedoch eine spürbare Präsenz der Behörden im öffentlichen Raum.
Es müssen aber auch bisher wenig beachtete Aspekte der Prävention in den Blick genommen werden. Im Bereich der Stadtplanung etwa sollten Bund und Länder auf den Zusammenhang zwischen Stadtplanung und innerer Sicherheit achten. Stadtplanung ist kein Allheilmittel gegen die Beeinträchtigung in der öffentlichen Sicherheit, aber durch Beleuchtung, Begrünung und eine intelligente Steuerung von Verkehrsströmen in den Städten lässt sich eine spürbare Verbesserung der inneren Sicherheit erreichen. Bisher wird die Stadtplanung der Kommunen durch den Bund jedoch noch nicht ausreichend unter dem Gesichtspunkt von Sicherheitsgewinnen gefördert.
Cyberkriminalität in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und die dadurch bedingte allgemeine Bedrohungslage im Cyberraum für alle Bürgerinnen und Bürger, die sich im Netz bewegen, ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit und medialer Berichterstattung gerückt. Wir Freie Demokraten fordern, der Bekämpfung von Gewalt im Internet Priorität einzuräumen.
Die Linke
Die Kriminalität, insbesondere die Gewaltkriminalität, nimmt in der Bundesrepublik über einen langen Zeitraum betrachtet ab. Innerhalb dieser Gesamtentwicklung nimmt allerdings die Kriminalität im Bereich der digitalen Technologien (Betrugsdelikte, Computersabotage etc.) zu. Wesentliche Faktoren sind die verbreitete Verfügbarkeit der benötigten technischen Werkzeuge und des Know-hows sowie ein geringes Risiko, überführt und bestraft zu werden. Hier sehen wir sowohl Handlungsbedarf im Bereich der Prävention (Sensibilisierung, Selbstschutz) als auch bei den Ermittlungsfähigkeiten der Strafverfolgungsbehörden.
AfD
Auch wenn die Entwicklung der Gesamtstraftaten laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) seit einigen Jahren rückläufig ist, nimmt die Kriminalität in mehreren besonders sensiblen Deliktsbereichen erheblich zu. Beispielsweise hat es bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Jahre 2020 (81.630 Fälle) gegenüber dem Vorjahr 2019 (69.881 Fälle) eine Steigerung von rund 17 Prozent gegeben. Verglichen mit dem Jahr nach der Wiedervereinigung (1991/38.799 Fälle) war es sogar eine Steigerung von rund 110 Prozent, also mehr als eine Verdoppelung in den letzten 30 Jahren. Dies ist umso dramatischer, da Tatopfer in diesem Bereich in besonderer Weise traumatisiert werden.
Sorge macht im Bereich der organisierten Kriminalität insbesondere die sich immer stärker ausbreitende Clankriminalität von Angehörigen türkisch-arabischer Großfamilien. So konnten zum Beispiel allein für NRW im Jahre 2019 111 türkisch-arabische Familienclans festgestellt werden, die dem Bereich der Clankriminalität zugeordnet werden (NRW, Lagebild Clankriminalität 2019). Diese Clans verfügen über ein hohes Einschüchterungspotenzial. Ihre Opfer trauen sich häufig nicht, sich an die Polizei zu wenden. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung wird hier in besonderer Weise beeinträchtigt.
Diese Deliktsbereiche seien nur beispielhaft genannt für einen weiterhin hohen Verbesserungsbedarf bei der Kriminalitätsbekämpfung.
Hass und Hetze im digitalen Raum sind eine große Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wie will Ihre Partei dagegen vorgehen? Und wie wollen Sie die Macht der großen Digital-Konzerne (Facebook, Youtube etc.) eindämmen?
CDU/CSU
Soziale Medien sind wichtige Plattformen für den gesamtgesellschaftlichen Meinungsaustausch und für die demokratische Willensbildung. Hass und Hetze, aber auch Lügen und Propaganda, sind nicht von der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit geschützt und müssen daher konsequent und schnell entfernt werden. Das Netzwerkdurchsuchungsgesetz hat sich hierbei bewährt und soll von Deutschland aus europäisch weiterentwickelt werden.
Die Meinungsäußerungsfreiheit muss aktiv mit dem Schutz von Persönlichkeitsrechten und weiteren Rechtsgütern zum Ausgleich gebracht werden. Das virtuelle Hausrecht in den Nutzungsbedingungen der Diensteanbieter darf nicht dazu genutzt werden, die politische Willensbildung als Kern der Demokratie zu beeinflussen. Dazu wollen CDU und CSU insbesondere das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Bürgerlichen Gesetzbuch verfassungskonform anpassen, indem wir Muster-AGB für Soziale Netzwerke im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch bereitstellen, die in Ergänzung zum Netzwerkdurchsuchungsgesetz einen Rahmen für erlaubte und verbotene Aussagen stecken. So kann Overblocking wirksam entgegengewirkt werden. Als Beschwerdeinstanz und für schwierige Fälle soll möglichst ein plural besetztes Gremium der regulierten Selbstregulierung eingerichtet werden, welches weder Weisungen staatlicher Stellen noch der betroffenen Unternehmen unterliegt.
SPD
Um effektiver gegen Hass und Hetze im Netz vorzugehen und Betroffene besser zu schützen, haben wir kürzlich bereits das Netzwerkdurchsetzungssgesetz weiterentwickelt und hier insbesondere die Meldewege für Betroffene vereinfacht und vereinheitlicht und Forscher*innen Zugang zu Daten der Netzwerke eingeräumt. Folgende weitere Maßnahmen wollen wir noch umsetzen:
- schnelle und zentrale Meldestellen und Hotlines bei den Ländern – verbunden mit Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Betroffene
- schnelle und effektive Schwerpunktstaatsanwaltschaften
- technisch und personell gut ausgestatte Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden, die auch in milieutypischen Gepflogenheiten und Vokabular geschult sind, sowie „digitale“ Ausbildung für Polizei und Strafverfolgung
- verstärkter Einsatz „klassischer“ Ermittlungsarbeit: verdeckte Ermittler in rechten Gruppen und Netzwerken, auch in geschlossenen Gruppen (z.B. WhatsApp-Gruppen), massiv verstärkte „Polizeistreifen“ im Netz, Beobachtung öffentlich zugänglicher Foren und Plattformen (auch das BSI, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, – etwa von bekannten rechten Plattformen oder Doxing- Plattformen)
- Anpassungen im Melderecht, Möglichkeiten von Adresssperrungen verbessern
- zivilrechtliche Instrumente schärfen, damit Betroffene sich besser wehren können
Auch die Impressumspflicht, die ein Mindestmaß an Transparenz und Information im Internet sicherstellen soll, sollte angepasst werden. Wir prüfen derzeit, wie dieses Mindestmaß an Transparenz und die Erreichbarkeit sichergestellt und gleichzeitig verhindert werden kann, dass Betroffene ihre Privatanschrift angeben müssen, wenn Büro- und Privatanschrift identisch sind.
Mit der Verabschiedung und der Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes hat Deutschland eine Vorreiterrolle übernommen, um geltendes deutsches und europäisches Recht auch in den sozialen Netzwerken durchzusetzen. Zudem haben wir mit der Novelle des Wettbewerbsrechts den Handlungsspielraum des Bundeskartellamts bereits an entscheidender Stelle erweitert und verschärft: Der neue Paragraf erlaubt es dem Kartellamt, erstmals die „überragende marktübergreifende Bedeutung“ von Digitalplattformen festzustellen und an diese Feststellung angeknüpft bestimmte Praktiken zu untersagen. Die im Rahmen der Erarbeitung des DSA und des DMA (Digital Markets Act und Digital Services Act) diskutierten Regelungsvorschläge orientieren sich über weite Teile an den deutschen Regelungen. Wir setzen uns für verbindliche und europaweit einheitliche Regelungen zur Verantwortung im Netz und zur Sicherung des Wettbewerbs auf europäischer Ebene im Rahmen der Erarbeitung des DSA und DMA ein.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten und auf Hassbotschaften. Für den Umgang mit Hass, Hetze und Desinformation werden wir den effektiven Umgang mit Nutzer*innenbeschwerden, die technik-adäquate Strafverfolgung, die Rechtskontrolle der Anbieter und zivilrechtliche Durchsetzungen verbessern. Hierfür brauchen wir personell wie technisch bestmöglich aufgestellte und analysefähige Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden.
Plattformbetreiber dürfen bestehende Rechte nicht aushöhlen, sind für eigene Inhalte haftbar und müssen beim Moderieren von Inhalten die Grundrechte wahren. Große Anbieter zahlen eine Abgabe für unabhängige Beratungsangebote. Können potenzielle Täter*innen nicht ermittelt werden, soll gegen Accounts vorgegangen werden. Wir GRÜNE prüfen die Präzisierung des Anwendungsbereichs des Netzdurchsuchungsgesetzes, um bspw. auch Gameschats zu erfassen. Bei Entscheidungen, welche Inhalte auf digitalen Plattformen gelöscht werden, können repräsentative und zivilgesellschaftliche Plattformräte unterstützen. Dies bündeln wir in einem Gesetz für digitalen Gewaltschutz.
FDP
Leider nehmen Straftaten, Hass und Hetze im Internet weiter zu. Der Staat steht hier in der Pflicht, entschieden zu handeln – und Persönlichkeitsrechte sowie die freie Meinungsäußerung effektiv zu schützen. Wir Freie Demokraten sehen es primär als Aufgabe des Staates an, gegen strafbare Handlungen im Netz vorzugehen. Deshalb wollen wir Freie Demokraten das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) abschaffen und durch einen Regulierungsmix ersetzen, der den Schutz der Meinungsfreiheit in vollem Umfang gewährleistet, statt die großen Digitalkonzerne zum Schiedsrichter über die Grenzen der Meinungsfreiheit zu machen. Wir wollen die Opfer von Gewalt im Internet und von Hasskriminalität außerdem in die Lage versetzen, sich zu wehren, indem sie einen wirksamen Auskunftsanspruch gegen Plattformen und Internetprovider erhalten. Mit Medienbildung bei Kindern und Jugendlichen sowie Weiterbildungen und Schulungen für Polizei und Justiz möchten wir Betroffene besser unterstützen.
Wir Freie Demokraten wollen eine wirksame Kontrolle großer Unternehmen der Digitalwirtschaft schaffen, die Zugänge zum Internet kontrollieren. Solche Gatekeeper-Unternehmen, die als Betreiber einer Suchmaschine, als soziales Netzwerk oder als dominierende Handelsplattform die Wettbewerbsbedingungen kleiner oder mittlerer Unternehmen entscheidend beeinflussen können, müssen einer speziellen Regulierung unterworfen werden. Die Regulierung soll verhindern, dass Gatekeeper den Wettbewerb verzerren, indem sie sich beispielsweise bei Suchergebnissen selbst begünstigen, indem sie die Interoperabilität mit Angeboten anderer Unternehmen einschränken oder indem sie die Geschäftsdaten ihrer Partnerinnen und Partner in unlauterer Weise zum eigenen Vorteil nutzen. Eine wirksame Kontrolle global agierender Gatekeeper-Unternehmen kann nicht allein von der Ebene des nationalen Rechts und der Behörden der EU-Mitgliedstaaten ausgehen. Wir unterstützen deshalb die Pläne zur Schaffung eines Digital Markets Act auf Ebene der Europäischen Union, mit dem eine das Kartellrecht ergänzende europäische Regulierung für Gatekeeper-Unternehmen geschaffen werden soll.
Die Linke
Wo Straftatbestände erfüllt werden, müssen die Strafverfolgungsbehörden mit dem notwendigen Wissen und technischen Mitteln ausgestattet sein, aktiv zu werden. Erfolgreich sind Hass und Hetze aber auch durch die Funktionsweise der sozialen Netzwerke in der Hand der großen Digitalkonzerne – je reißerischer eine Nachricht ist, desto mehr „Klicks“ produziert sie und umso größer ist die Reichweite von Werbung, die darüber vermarktet werden kann. Wir wollen die Macht der Digitalkonzerne brechen, indem wir mit einem Plattformstrukturgesetz Datenschutz sicherstellen und die Portabilität der Nutzer*innendaten garantieren. Damit wollen wir gemeinwohlorientierte Alternativen stärken, die von vornherein nicht auf die Vermarktung der gewonnenen Daten setzen.
AfD
Hass und Hetze im digitalen Raum sind in der Tat eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Allerdings sind sie auch ein Indiz für den bereits bestehenden und weiter fortschreitenden Verlust eben dieses Zusammenhalts. Die politisch Verantwortlichen tragen kräftig dazu bei.
Allgegenwärtig in der öffentlichen Wahrnehmung ist die Problematik von Rassismus, Homo- oder Transphobie beziehungsweise sonstiger Minderheitendiskriminierung. Selbstverständlich wird dies auch von der AfD abgelehnt. Kaum Beachtung finden allerding Hass und Hetze gegen politisch Andersdenkende, sofern sie als irgendwie „rechts“ dargestellt beziehungsweise so wahrgenommen werden. Hass und Hetze scheinen hier gesellschaftlich tolerabel, ja dem Anschein nach oft geradezu wünschenswert. Die inzwischen übliche Zensur in den sozialen Medien findet hier nicht statt. Hass und Hetze sind jedoch in allen Ausformungen und gegenüber allen Gruppierungen und Einzelnen abzulehnen.
Dennoch sprechen wir uns entschieden gegen die von den Digital-Konzernen ausgeübte Zensur aus. Die Definition dessen, was Hass und Hetze ist, und deren Sanktionierung darf nicht privaten Konzernen überlassen bleiben. Dies obliegt allein dem Staat. Das bestehende Strafrecht bietet ausreichende Sanktionsmöglichkeiten, um gegen Beleidigungen, Verleumdungen oder Verhetzungen (§ 130 StGB Volksverhetzung) vorzugehen. Entsprechende Sachverhalte müssen von der Justiz aufgeklärt und gegebenenfalls bestraft werden. Das Gewaltmonopol des Staates darf hier nicht unterminiert werden. Eine diesbezügliche Einschränkung der Digital-Konzerne kann bei entsprechendem politischem Willen gesetzlich veranlasst werden.
Mit der zunehmenden Digitalisierung sind neue Verbrechensfelder entstanden, die weitere Opfer hervorbringen. Wie wollen Sie die Strafverfolgungsbehörden stärken, um diese Taten einzudämmen?
CDU/CSU
CDU und CSU setzen sich dafür ein, dass Strafverfolgungsbehörden und Polizei diejenigen Instrumente an die Hand bekommen, die sie benötigen, um auch im Bereich der digitalen Strukturen schlagkräftig agieren zu können. Polizei- und Ermittlungsbehörden in Deutschland müssen noch enger überregional und behördenübergreifend zusammenwirken.
Wir setzen uns für einen zügigen Fortschritt bei den E-Evidence-Regelungen auf europäischer Ebene ein, damit Ermittlungsbehörden europaweit leichter auf elektronische Beweismittel zugreifen können, wie etwa auf in einer Cloud gespeicherte E-Mails oder Dokumente. Zudem wollen wir erneut darauf hinwirken, auf europäischer Ebene eine grundrechtskonforme Regelung zur Speicherung und zum Abruf von Telefonnummern und IP-Adressen zu schaffen, die den Einsatz der sogenannten Vorratsdatenspeicherung als schärfster Waffe im Kampf gegen Terrorismus und besonders schwere Straftaten, wie insbesondere den sexuellen Kindesmissbrauch, ermöglicht.
SPD
Mit der steigenden Bedeutung des Internets für Kommunikation und Handel steigen auch die Risiken. Kriminelle werden in größerem Ausmaß als bisher online tätig.
Strafverfolgung muss sich im gleichen Tempo auf die veränderten Umstände anpassen. Der Rechtsstaat muss über ein klares und aktuelles Bild der Lage, der Täterstrukturen und der Tatbegehungsweisen verfügen. Der Rechtsstaat muss daher Anpassungen der Strafgesetze und das entsprechende Know-how zur Verfolgung der Straftaten bereitstellen. Nur wenn strafwürdiges Verhalten auch online konsequent verfolgt wird, kann die Digitalisierung der Gesellschaft erfolgreich gestaltet werden.
In der 19. Wahlperiode haben wir uns intensiv mit strafbarem Verhalten im Internet beschäftigt. Mit der Reform von bestehenden und der Einführung von neuen Straftatbeständen haben wir das Strafgesetzbuch auf die neuen Herausforderungen eingestellt. Darüber hinaus haben wir mit dem Pakt für den Rechtsstaat die Voraussetzungen für die Förderung von Schwerpunktanwaltschaften geschaffen, die gezielt gegen online begangene Kriminalität ermitteln. Wir wollen auch künftig mit den Ländern gemeinsam bestehende Strukturen stärken und ausbauen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Die Strafverfolgungsbehörden, auch und gerade die Polizei, müssen technisch und personell gestärkt werden und potenziell Betroffene schnelle Beratung bekommen. Die digitale Kompetenz in den Sicherheitsbehörden wollen wir GRÜNE stärken, damit bestehende Möglichkeiten zur Verbrechensverhütung und -aufklärung effektiv angewendet werden. Zudem muss die Analysefähigkeit der Sicherheitsbehörden gerade im Bereich Online-Phänomene deutlich erhöht werden, sodass Gefahren frühzeitig erkannt werden. Wer im Netz andere auf menschenverachtende Weise beleidigt, zur Gewalt aufruft oder Menschen bedroht, darf nicht ungestraft davonkommen. Die Urheber*innen müssen ermittelt werden und Konsequenzen spüren. Wir fordern eine Gesamtstrategie gegen Hass und Hetze, die zwischen effektiver Polizeiarbeit, Verantwortung der Diensteanbieter und individuellen Schutzrechten abwägt. Plattformbetreiber, insbesondere wenn sie Öffentlichkeit herstellen, müssen Inhalte effektiver löschen.
FDP
Zur effektiven Bekämpfung von Internetkriminalität und allen weiteren Kriminalitätsformen fordern wir Freie Demokraten eine bessere und funktionale Personal- und Sachausstattung für die Polizei. Dafür wollen wir entsprechende Mittel bereitstellen und die Infrastruktur schaffen. Insbesondere wollen wir mit einem Digitalpakt dafür sorgen, dass Polizistinnen und Polizisten in Deutschland mit dem neuesten Stand der Technik und mit kompatiblen IT-Infrastrukturen ausgerüstet sind. Denn die besten Gesetze helfen nicht weiter, wenn sie mangels Personals, durch fehlende Ausrüstung oder aufgrund dysfunktionaler IT-Infrastruktur nicht durchgesetzt werden können. Ein Problem ist es im Moment für den Staat, ausreichend IT-Fachkräfte zu gewinnen, insbesondere um digitale Beweise schnell zu sichern und auszuwerten. Wir wollen daher eine besondere Laufbahn im öffentlichen Dienst für IT-Fachleute schaffen, damit der Staat hier ein wettbewerbsfähiger Arbeitgeber wird.
Wir Freie Demokraten fordern, der Bekämpfung von Gewalt im Internet Priorität einzuräumen. Ergänzend zu spezialisierten Kräften in Polizei und Justiz sowie Schwerpunktstaatsanwaltschaften sollen in allen Bundesländern elektronische Verfahren zur Stellung von Strafanzeigen, die auch anonyme Anzeigen sowie Anzeigen von Nichtregierungsorganisationen zulassen, eingeführt werden und über Zentralstellen laufen. Um Straftaten insbesondere gegenüber Frauen besser zu bekämpfen, müssen geschlechterspezifische digitale Straftaten in Kriminalitätstatistiken aufgenommen werden. So können konkrete Handlungsbedarfe abgeleitet und umgesetzt werden.
Die Linke
Wir wollen die Strafverfolgungsbehörden verstärkt für Fachkräfte öffnen, die Expertise in informationstechnischen Fragen haben, aber nicht ausgebildete Kriminalist*innen sind. Wir wollen aber auch das vorhandene Personal durch Fort- und Weiterbildung befähigen, mit diesen Kriminalitätsphänomenen umzugehen. Gerade im Bereich digitaler Gewalt gegen Frauen (Nachstellung, Erpressung mit privaten Bildern etc.) treffen die Betroffenen häufig auf Polizeibehörden, die nicht über das notwendige Wissen verfügen. Ziel ist, dass sich Opfer von digital begangenen Straftaten an jede Polizeibehörde wenden können.
AfD
Die Polizei muss für diesen Bereich deutlich mehr Personal einstellen. Insgesamt muss die Vergütung für Polizeibeamte signifikant erhöht werden, gerade beim Werben um neue Mitarbeiter im digitalen Bereich befindet sich die Polizei ja auch im Wettbewerb mit privaten Unternehmen. Ferner muss auch die diesbezügliche technische Ausstattung der Polizei deutlich verbessert werden. Ähnliches gilt auch für den Bereich der Justiz.
Ein großes Problem in der juristischen Praxis ist die Länge von Verfahren. Wie will Ihre Partei Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren beschleunigen und so das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken?
CDU/CSU
Ein starker Rechtsstaat erfordert eine starke Justiz. Um Verbrechen wirksam bekämpfen zu können, brauchen wir daher auch gut ausgestattete, unabhängige Gerichte und leistungsfähige Staatsanwaltschaften. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass Recht und Gesetz konsequent durchgesetzt werden. CDU und CSU sind der Auffassung, dass die Justiz der Zukunft bei gleichbleibender Qualität effizienter und schneller werden muss. Nur so kann sie auf Dauer das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger erhalten und in der Konkurrenz mit anderen Rechtssystemen und einer wachsenden Schiedsgerichtsbarkeit attraktiv bleiben.
Die Arbeit der Justiz wird entscheidend durch das anzuwendende materielle Recht geprägt, deshalb sind ein wesentlicher Baustein für eine wirksame Entlastung der Justiz weniger und einfacher anzuwendende Gesetze. Die Regelungen in den Verfahrensordnungen sind stärker auf die mit dem jeweiligen Gerichtsverfahren verfolgten Zwecke zu fokussieren. Dies betrifft insbesondere die Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen durch Rechtsmittelinstanzen. Der Zeitbedarf für das Durchlaufen aller Instanzen und einer anschließenden Verfassungsbeschwerde entspricht nicht mehr den Geschwindigkeitserwartungen der Rechtschutzsuchenden. Signifikante Beschleunigungsgewinne in den Instanzen lassen sich im Wesentlichen durch eine Erweiterung der Präklusionsmöglichkeiten und deren konsequente Anwendung erreichen. Wir halten es für unbedingt erforderlich zu prüfen, in welchen Fällen eine einzige Rechtsmittelinstanz den Grundsätzen des Rechtsstaatsgebots genügt.
SPD
Gerechtigkeit kann in einem Rechtsstaat nur durch ein faires Verfahren hergestellt werden. Ein faires Verfahren muss den Anforderungen unseres Grundgesetzes gerecht werden. Dies erfordert umfangreiche Ermittlungen und Vorbereitungen des Verfahrens. Der Gesetzgeber ist sich bewusst, dass lange Verfahren für das Opfer in manchen Fällen eine Belastung sein können. Darauf hat der Gesetzgeber reagiert und gewährt seit 2017 besonders schutzbedürftigen Verletzten einen Anspruch auf professionelle Begleitung und Betreuung während des gesamten Strafverfahrens, die sogenannte psychosoziale Prozessbegleitung.
Mit der Einführung des elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs (eBO) können bestimmte Personengruppen Dokumente auf elektronischem Wege an die Gerichte und Strafverfolgungsbehörden übersenden und andersherum. Damit beschleunigen wir nicht nur die Digitalisierung der Justiz, sondern auch die Verfahren im Vorfeld.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gerichte und Strafverfolgungsbehörden haben mit einer hohen Arbeitsbelastung zu kämpfen. Verfahren dauern zu lang. Hier braucht es dringend Entlastung durch mehr Personal, durch Täter*innen-Opfer-Ausgleich, durch die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten und durch eine flächendeckende Ausstattung der Justiz mit der nötigen Technik. Entlastung der Justiz kann z.B. die digitale Dokumentation erstinstanzlicher strafrechtlicher Hauptverhandlungen an Land- und Oberlandesgerichten bringen. Wir GRÜNE wollen grundsätzlich die Justiz serviceorientierter gestalten und hierzu neue Wege suchen. Die Digitalisierung der Justiz wie auch ihren Personalbedarf werden wir durch einen Bund-Länder-Digitalpakt Justiz in Fortsetzung und Konkretisierung des Ende 2021 auslaufenden Pakts für den Rechtsstaat mit ausreichender Finanzierung umsetzen.
FDP
Wir Freie Demokraten wollen Strafprozesse effektiver, schneller, moderner und praxistauglicher machen und dabei die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen – ohne dass sich dies einseitig zu Lasten der Rechte des Beschuldigten und dessen Verteidigung auswirkt. Dazu wollen wir den deutschen Strafprozess, dessen Grundstruktur noch aus dem Kaiserreich stammt, grundlegend modernisieren. Der Rechtsstaat muss auch in komplexen und exponierten Verfahren seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. So muss der Strafprozess digitaler und kommunikativer werden. Vernehmungen und Hauptverhandlung müssen in Bild und Ton aufgezeichnet werden – das ist international Standard. Ähnlich wie bei den Schulen sollten Bund und Länder einen Digitalpakt für die Justiz verabschieden, um die technische Ausstattung der Justiz deutlich zu verbessern. Hauptverhandlungen könnten zudem konzentrierter und schneller durchgeführt werden, wenn das Gericht mit Verteidigung und Staatsanwaltschaft Gespräche über die Verfahrensgestaltung führen könnte.
Gerade bei exponierten, komplexen Sachverhalten muss der Rechtsstaat seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wenn er nicht in der Lage ist, auch in Mammutverfahren die strafrechtliche Verantwortung zu klären, verlieren die Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in den Rechtsstaat. Es ist nicht hinnehmbar, wenn ein Prozess letztlich an den strafrechtlichen Verjährungsfristen scheitert.
Die Linke
Dies wird nur über eine personelle Verstärkung der Justiz gelingen. Vom „Pakt für den Rechtsstaat“ der Regierungskoalition wurde zwar das Versprechen für mehr Polizei umgesetzt, von den versprochenen 2.000 Stellen in der Justiz sind wir aber weit entfernt. Aus rechtsstaatlicher Sicht ungeeignet sind vermeintliche Verfahrensbeschleunigungen im Gesetz, die letztlich nur dafür sorgen, dass die Wahrnehmung von Beklagtenrechten im Wesentlichen vom Geldbeutel abhängt.
AfD
Alternative für Deutschland
Um die Gerichtsverfahren zu beschleunigen, wollen wir die noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Prozessordnung modernisieren. Auch soll das Rechtswesen stärker digitalisiert werden. Ferner wollen wir deutlich mehr Personal für das Justizwesen einstellen.
Wie werden Sie sicherstellen, dass Opfer von Straftaten im Strafprozess besser beteiligt werden?
CDU/CSU
Für CDU und CSU geht Opferschutz immer vor Täterschutz. Die auf der Grundlage der EU- Opferschutzrichtlinie in den letzten Jahren in das Strafprozessrecht aufgenommenen Informations- und Beteiligungsrechte für Opfer von Straftaten wollen wir ausbauen und mit Leben füllen. Dazu gehört für uns, dem Opferschutz ein stärkeres Gewicht in der polizeilichen und justiziellen Aus- und Weiterbildung zukommen zu lassen, um Polizei und Justiz besser zu befähigen, opferschützende Regelungen in der Praxis auch anzuwenden. Auch treten wir für die Stärkung und den Ausbau der psychosozialen Prozessbegleitung ein, und wir wollen einen Rechtsanspruch auf kostenlose Opferhilfe umsetzen.
Den Opfern von sexualisierter oder häuslicher Gewalt soll flächendeckend angeboten werden, die Spuren gerichtsfest dokumentieren zu lassen, ohne dass ein Ermittlungsverfahren von Amts wegen eingeleitet werden muss (vertrauliche Spurensicherung).
Das Amt des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs von Kindern wollen wir weiter stärken und zusammen mit dem Betroffenenrat auf gesetzlicher Grundlage dauerhaft fortführen.
SPD
Wenn Opfer von Straftaten sprechen, muss ihnen aufmerksam zugehört werden. Wir setzen uns dafür ein, dass Geschädigte zu Wort kommen und ihnen, wo im Strafverfahren erforderlich, entsprechende Betreuung zugute kommt.
Mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder haben wir geregelt, dass künftig die persönliche Anhörung von Kindern in Kindschaftsverfahren – unabhängig von ihrem Alter – grundsätzlich vorgeschrieben ist.
Wir begrüßen die von Experten begleitete Fortbildung von Polizei und Justiz im Umgang mit Opfern. Wir möchten die Verbändearbeit künftig unterstützen und dadurch zur Sensibilisierung im Umgang mit Opfern von Gewalt sowie Hass im Internet beitragen.
Unsere Priorität muss es sein, dass insbesondere traumatisierte Geschädigte durch die Beteiligung im Strafprozess nicht erneut zu psychischem Schaden kommen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wir GRÜNE setzen uns für die für volle Ausschöpfung des bereits vorhandenen Rechts ein, zum Beispiel von der schonenden Vernehmung von Opferzeugen über die Nebenklage bis zur psychosozialen Prozessbegleitung und zum Täter-Opfer-Ausgleich (Schadenswiedergutmachung). Wir wollen insbesondere die Opferrechte von Kindern in Strafverfahren weiter stärken.
FDP
Die Opfer einer Straftat haben ein berechtigtes Interesse daran, im Strafprozess gehört zu werden. Hierzu gehört es beispielsweise auch, dass sie sich – wie auch andere Zeugen oder der Angeklagte – mit rechtlichem oder psychologischem Beistand auf die schwierige Situation der Vernehmung vorbereiten können. Es ist für die Akzeptanz der Gesetze und ihrer Anwendung durch die Gerichte von entscheidender Bedeutung, dass sich die Opfer einer Straftat im Rahmen des Strafverfahrens ernst genommen fühlen. Dies kann nur gelingen, wenn sie rechtlich wie tatsächlich selbstbestimmt am Strafverfahren teilnehmen können.
Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag hat bereits den umfassenden Antrag „Strafprozesse effektiver, schneller, moderner und praxistauglicher gestalten“ in den Deutschen Bundestag eingebracht. Darin wird unter anderem gefordert, in umfangreichen Strafverfahren der/dem Vorsitzenden bzw. der Kammer des Gerichts die Möglichkeit einzuräumen, Gruppen von Nebenklägern zu bilden, die gleichlaufende oder zumindest keine gegensätzlichen Interessen verfolgen, und diesen für die Vertretung in der Hauptverhandlung einen Gruppenrechtsbeistand beizuordnen. So haben Erfahrungen mit einer großen Zahl von Nebenklägern wie beispielsweise der „Loveparade-Prozess“ gezeigt, dass eine solche Bündelung erforderlich ist. Werden die Rechte der Nebenkläger von einer großen Anzahl an Nebenklagevertretern geltend gemacht, kommt es zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens. Dies steht im Widerspruch zu dem öffentlichen Interesse einer zügigen Verfahrensverhandlung und -entscheidung. Zudem sollte die Beiordnung eines Beistands für Nebenkläger im Rahmen sämtlicher Vergewaltigungstatbestände erfolgen.
Die Linke
DIE LINKE setzt sich für bessere und sicherere Beteiligung von Opfern von Straftaten im Strafprozess ein. Eine notwendige Modernisierung wäre es, endlich eine audiovisuelle Aufzeichnung der Hauptverhandlung zu ermöglichen. Denn hier ist Deutschland Schlusslicht. 23 EU Staaten haben dies schon geregelt. In einem so sensiblen Bereich wie dem Strafrecht alleine auf die Mitschriften des Richters zu vertrauen, mutet geradezu absurd an. Die Bestimmungen zur audiovisuellen Aufzeichnung bei Sexualdelikten (§ 58a StPO) ist zudem missverständlich und in der Praxis kaum wirksam. Denn in den meisten Fälle wird eine erneute Vernehmung des/der Hauptbelastungszeug/en/in nötig und nicht vermeidbar sein. Hierzu sind umfangreiche gesetzliche Neuerungen dringend notwendig.
AfD
Die AfD steht fest an der Seite von Verbrechensopfern. Wir bitten um Verständnis dafür, dass Einzelheiten möglicher strafprozessualer Änderungen in diesem Rahmen nicht dargestellt werden können. Grundsätzlich gilt: Wir setzen uns dafür ein, dass die Fokussierung auf ein übermäßiges Verständnis für die Täter abgelöst wird durch eine größere Empathie für die Tatopfer.
Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie die Unterversorgung der Patienten mit ambulanter und stationärer Psychotherapie beheben?
CDU/CSU
Für die CDU und CSU ist die Sicherstellung der psychotherapeutischen Versorgung ein entscheidendes Anliegen. Unser Ziel ist es, allen Bürgerinnen und Bürgern einen digitalen, wohnortnahen und möglichst barrierefreien Weg zum Psychotherapeuten zu ermöglichen. Deshalb setzen wir uns auch künftig dafür ein, die bereits mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz eingeleitete Reduzierung der Wartezeit auf eine psychotherapeutische Behandlung voranzutreiben. Um die Patientinnen und Patienten genau dort gut zu erreichen, wo der Bedarf hoch ist, wollen wir nach wie vor auf eine Bedarfsplanung setzen, die von flexiblen Instrumenten und sachgerechten Lösungen vor Ort geprägt ist. Dort wo es notwendig ist, sollte die Zahl der Sitze für niedergelassene Psychotherapeuten erhöht werden. Das gilt insbesondere für das psychotherapeutische Behandlungsangebot für Kinder und Jugendliche. Die Voraussetzung für eine auf den einzelnen Menschen abgestimmte Diagnose, Indikationsstellung und die entsprechende Behandlung muss nach wie vor möglich bleiben. Gleichzeitig unterstützen wir alle Maßnahmen, um die Versorgung von insbesondere schwer psychisch kranken Patientinnen und Patienten zu verbessern. Telemedizinische Angebote können die bestehenden Angebote ergänzen.
SPD
Traumatisierungen können sehr unterschiedliche Ursachen haben, für deren Behandlung dann auch unterschiedliche Kosten- bzw. Führsorgeträger und auch spezialisierte Versorgungsstrukturen zur Verfügung stehen. So sind die Angebote zur konkreten Traumaversorgung z.B. bei Opfern von Gewalttaten Teil des Opferentschädigungsrechts und werden von den Ländern exekutiert. Es gehört zum Selbstverständnis der SPD, Menschen in herausfordernden oder existentiellen Lebenssituationen mit gezielter Infrastruktur zur Seite zu stehen.
Grundsätzlich verfolgt die SPD bei Fragen der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung von Patient:innen / Versicherten einen ganzheitlichen Ansatz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen. Denn neben spezifischen Bedarfen müssen sich die Versicherten vor allem auf einen niedrigschwelligen Zugang zur Erst- und ggf. auch Langzeitversorgung verlassen können.
Deshalb möchten wir hier nur ausschnitthaft an die Einführung psychotherapeutischer Sprechstunden, die aktuell stattfindende Erarbeitung von Komplexleistungen für schwer psychisch kranke Menschen oder die von uns in Auftrag gegebene Überarbeitung der Bedarfsplanung erinnern.
Wir werden auch in der kommenden Legislaturperiode in Regierungsverantwortung diesen ganzheitlichen Ansatz weiterverfolgen. Letztlich zählt für uns, dass die Angebote den konkreten Bedarfen folgen müssen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Starke Prävention und angemessene Versorgung – für beides wollen wir GRÜNE die Weichen stellen, denn seelische Gesundheit ist Fundament für Lebensqualität, soziale Teilhabe und körperliche Gesundheit und mehr als nur Abwesenheit psychischer Krankheiten. Wer eine psychische Erkrankung hat, braucht schnelle und leicht zugängliche Hilfen, damit das Leid sich nicht verschlimmert. Stigmatisierungen, zum Beispiel am Arbeitsplatz, muss vorgebeugt werden. Flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung mit ambulanten und stationären Therapie- sowie Hilfs- und Beratungsangeboten, zum Beispiel auch für Suizidprävention oder bei Abhängigkeiten, ist zentral. Wir wollen ambulante Psychotherapieplätze durch mehr Kassenzulassungen von Psychotherapeut*innen schaffen. Es braucht eine gemeindenahe und personenzentrierte Versorgung und eine verbesserte, sektorübergreifende Zusammenarbeit. Hilfsangebote zwischen ambulanter und stationärer Behandlung müssen flexibler werden und die verschiedenen Berufsgruppen im Team eine miteinander abgestimmte Behandlung übernehmen können. Bei der unzureichenden Reform der Psychotherapie-Ausbildung muss nachgebessert werden.
FDP
Wir Freie Demokraten wollen die Wartezeiten auf einen Therapieplatz reduzieren, den Ausbau von Therapieplätzen fördern, Prävention und Aufklärung stärken sowie die Ausbildung der psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten weiterentwickeln. Die Anzahl der Kassensitze für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wollen wir deutlich erhöhen. Ebenso wollen wir mehr Studienplätze für Psychologie und Psychotherapie schaffen. Schulpsychologische Beratungsangebote wollen wir ausbauen. Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter sollen an jeder Schule verfügbar sein. Schließlich fordern wir eine bundesweite Aufklärungskampagne zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen, denn die psychische Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und soziale Teilhabe. Durch die Förderung von psychischer Gesundheit und Prävention wird die Gesellschaft sensibilisiert und Einzelnen kann schnell geholfen werden.
Die Linke
Keine Antwort.
AfD
Auch hier müssen deutlich mehr finanzielle Mittel in die Hand genommen werden, um mehr qualifiziertes Personal einzustellen sowie die medizinische und therapeutische Versorgung zu verbessern.
Wie will Ihre Partei die langen Bearbeitungszeiten und die dadurch entstehenden Wartezeiten beim Opferentschädigungsgesetz (OEG) verringern?
CDU/CSU
Eine grundsätzliche Verkürzung der Verfahrenslänge ist systembedingt nicht möglich. Die Verfahrenslänge ist generell von unterschiedlichsten Faktoren abhängig. Die primäre Sachverhaltsaufklärung (Vollbeweis einer Gewalttat im Sinne des OEG) hängt im Wesentlichen davon ab, ob es eine Ermittlungsakte bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht gibt (abhängig davon, wann das Opfer den Antrag gestellt hat) und ob diese auch verfügbar ist. Bei Akteneinsichten durch einen oder mehrere Verteidiger oder insbesondere bei Haftsachen kann sich die Sachverhaltsaufklärung über mehrere Monate hinziehen, weil die Ermittlungsakten nicht für eine Akteneinsicht verfügbar sind. Bei nachgewiesenen Gewalttaten erfolgt im Anschluss an die Sachverhaltsaufklärung die Ermittlung der Schädigungsfolgen. Je nach Umfang der Behandlungen und der Anzahl der betroffenen medizinischen Fachgebiete kann sich auch hier eine mehrmonatige Wartezeit ergeben. Soweit abschließend eine Begutachtung des Opfers erforderlich ist, erfolgt diese durch externe, sachverständige Ärzte. Aufgrund des Fachkräftemangels und des erheblichen Zeitaufwandes der Gutachtenerstellung ergeben sich hierdurch oftmals längere Verzögerungen je medizinischem Fachgebiet, für das eine Begutachtung erforderlich ist.
SPD
Wir haben in der 19. Wahlperiode die staatlichen Hilfesysteme an die heutigen Gegebenheiten und die Leistungen besser an die Bedürfnisse der Opfer von Gewalttaten angepasst. Das bisherige hoch komplexe Recht des Bundesversorgungsgesetzes, des OEG und weiterer Regelungen wird durch ein transparentes und klar strukturiertes Soziales Entschädigungsrecht (SER) ersetzt und in einem neuen Vierzehnten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XIV) gebündelt.
Damit die Bundesländer die nötige Zeit haben, die erforderlichen Vorkehrungen zur Durchführung des neuen Rechts in der Verwaltung, in der IT und in der Aus- bzw. Fortbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu treffen, tritt das neue SER zum 1. Januar 2024 in Kraft.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Opfern darf keine lange Wartezeit zugemutet werden. Wir GRÜNE setzen uns für zügige Verfahren ein und wollen dies durch den Einsatz von mehr Personal und verbesserter IT-Ausstattung gewährleisten.
FDP
Das Entschädigungsrecht für Opfer von Gewalttaten wurde in der ablaufenden Wahlperiode grundlegend reformiert. Für uns Freie Demokraten ist der personenzentrierte Ansatz wichtig, um zu gewährleisten, dass zukünftig der Zugang zu Traumaambulanzen, zu Entschädigungsleistungen, zu Krankenbehandlung und Hilfsmitteln oder zu anderen Fürsorgeleistungen niedrigschwellig und möglichst formlos geschehen kann. Umgesetzt wird dies in den Ländern, sodass es bei den unterschiedlichen Versorgungsbehörden in den Ländern auch kürzere oder längere Bearbeitungszeiten gibt. Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass in den Versorgungsbehörden genügend und vor allem in Hinblick auf das neue Recht hinreichend geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind. Maßgabe muss hier sein, dass möglichst unbürokratisch, schnell und zielgerichtet die Anträge der Berechtigten bewilligt werden.
Die Linke
Mit der Novelle des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts 2019 sind einige Verbesserungen eingeführt worden. Dennoch braucht es hier eine eindeutige Klarstellung, beispielsweise dass das Verbleiben in einer Gewaltbeziehung nicht zu „Unbilligkeit“ und damit zum Leistungsausschluss führt. Grundsätzlich müssen sowohl die Justiz als auch nachgeordnete Behörden endlich ertüchtigt werden. Zusammen mit den Ländern muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass Opfer von schweren Gewalttaten neben dem Strafrecht nicht mit den Folgen alleingelassen werden, und auch der institutionelle Opferschutz muss gestärkt werden.
AfD
Zum Opferentschädigungsgesetz ist unsere programmatische Positionsfindung noch nicht abgeschlossen.
Um Kriminalität zu verhindern, bedarf es einer wirksamen Kriminalprävention. Was wollen Sie tun, um die Kriminalprävention zu stärken? Wie wollen Sie kommunale Präventionsangebote absichern?
CDU/CSU
Die kommunale Sicherheitsverantwortung wollen wir weiter stärken. Wir setzen uns für eine ausreichende personelle Ausstattung der Ordnungsbehörden, eine sachgerechte Aus- und Fortbildung sowie eine den Aufgaben entsprechende Einsatzmittel- und Schutzausrüstung ein. Kommunale Ordnungsdienste können durch ihre Nähe zu den Menschen verlässliche Ansprechpartner sein. Bessere Beleuchtung, Aufenthaltsregeln und Ordnungskräfte beugen Straftaten vor, indem sie potenzielle Täter abschrecken. Zudem helfen sie bei der Aufklärung. Diese Maßnahmen wollen wir ausweiten und gemeinsam mit Anwohnern und Eigentümern die präventiven Möglichkeiten vor Ort noch besser nutzen. Um vorbeugende Maßnahmen maßgeschneidert auf die örtlichen Verhältnisse abzustimmen, wollen wir Sicherheitspartnerschaften zwischen Polizei und Kommunen weiter stärken. Eine wichtige Ergänzung hierzu sind kommunale Präventionsräte, in denen Vertreter aus Verwaltung, Justiz und Polizei sowie aus Vereinen, Verbänden, Kirchen, Schulen und freien Trägern der Sozialarbeit eng zusammenarbeiten.
Kameras mit intelligenter Videosicherheitstechnik helfen unseren Polizistinnen und Polizisten, Täter abzuschrecken und Straftaten aufzuklären. Wir wollen den intelligenten Videoschutz an öffentlichen Gefahrenorten wie etwa vor und in Fußballstadien, an Bahnhöfen und weiteren Verkehrsknotenpunkten sowie in Bussen und Bahnen weiter ausbauen.
Wir wollen Betrugsmaschen verhindern, die sich gezielt gegen ältere Menschen richten. Dazu zählen neben dem Enkeltrick auch Haustürgeschäfte oder falsche Gewinnversprechen am Telefon. Wir brauchen mehr ausgebildete ehrenamtliche Sicherheitsberater für Seniorinnen und Senioren, damit sich diese besser vor Straftaten schützen können.
Wir werden weiter dafür kämpfen, dass die Sicherheitsbehörden die Befugnisse erhalten, die sie für eine effektive Aufklärung im Vorfeld eines Anschlages brauchen. Denn es darf keinen technischen Vorsprung zwischen denen geben, die Anschläge planen, und denen, die diese verhindern sollen. Wenn ein richterlicher Beschluss eine Telefonüberwachung oder die Durchsuchung einer Wohnung ermöglicht, muss Gleiches auch für verschlüsselte Nachrichten und Telefonate gelten, für das digitale Büro auf dem Computer oder Laptop. Die Voraussetzungen für die Quellen-TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) und Online-Durchsuchung – sowohl bei der Gefahrenabwehr als auch bei der Strafverfolgung – wollen wir bundesweit anpassen, sodass diese Instrumente rechtssicher und effektiv eingesetzt werden können.
SPD
Fast jede Kommune hat sie: so genannte Kriminalitätsschwerpunkte. Vor allem Bahnhöfe sind oftmals solche Kriminalitätsschwerpunkte. Dies gilt auch für große öffentliche Plätze und Parks, wo die Bürger:innen ihre Freizeit verbringen, Pausen machen oder Veranstaltungen besuchen. Wir wollen diese städtischen Bezugspunkte und Orte sozialer Begegnungen sicherer machen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und damit auch das Sicherheitsempfinden von Bürger:innen wieder steigern. Die Haltestellen des Öffentlichen Nahverkehrs und die Bahnhöfe müssen sauber gehalten und beleuchtet werden. Auch Programme wie „Soziale Stadt“ und quartiersbezogene Sozialarbeit wie Community Organizing stärken den Zusammenhalt vor Ort und verbessern das Sicherheitsempfinden. Neben mehr Polizei gehört dazu auch die Installation von geeigneter und modernster Videotechnik – sowohl als Präventionsmaßnahme als auch zur Aufklärung von Straftaten im Nachhinein.
Das Programm der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) zur Einbruchsprävention ist ein gutes Beispiel, wie Alltagskriminalität durch staatlich geförderte Präventionsmaßnahmen zurückgedrängt werden kann. Ein solches Investitionsprogramm wäre auch im Bereich moderner Stadtplanung sinnvoll. Kriminalität bzw. Kriminalitätsschwerpunkte können nicht entstehen, wenn durch bauliche Veränderungen oder Ausleuchtung von Unterführungen sowie multifunktionale Straßenlaternen mit Notruftasten öffentliche Räume sicherer und zugänglicher gemacht werden. Dazu gehört auch der intelligente Ausbau des ÖPNV in bestimmten Stadtvierteln mit Anbindung an Stadtzentren.
Stadtteil- und Quartiersarbeit sowie Jugend- und Schulsozialarbeit, die einen großen Anteil an der Prävention von Kriminalität haben, wollen wir ausbauen. Verträge mit kommunalen Sicherheitspartnerschaften sind ein wichtiges Instrument, da Prävention immer mit mehreren Akteuren vor Ort stattfindet. Ein weiteres wirksames Instrument kann das Nationale Zentrum für Kriminalprävention sein, das nicht nur als Beratungsstelle fungiert, sondern auch zum Thema Verbrechensvorbeugung forscht. Dazu muss es allerdings, anders als derzeit, seinen Aufgaben entsprechend ausfinanziert sein.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Prävention spielt für uns eine prioritäre Rolle bei der Kriminalitätsbekämpfung, von der Gewaltprävention zum Schutz für Kinder und Frauen bis zur Prävention und Deradikalisierung im Bereich Extremismus. Eine umfassende und breit angelegte Prävention kann Straftaten im Vorfeld verhindern. Dafür braucht es einen gesamtheitlichen Ansatz, der sich nicht nur auf die Schaffung immer neuer Befugnisse für die Polizei und die Nachrichtendienste beschränkt. Prävention muss endlich integraler Teil der Sicherheitspolitik werden. Gerade im Bereich Extremismus braucht es ein bundeseinheitliches professionalisiertes Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk – analog zu den zivilgesellschaftlichen Trägern, die sich bereits besser als die politischen Ebenen in Bund und Ländern vernetzt haben. Zu der Stärkung der zivilgesellschaftlichen Träger braucht es auch endlich ein Demokratiefördergesetz. Wir GRÜNE verstehen Sicherheit als kooperative Aufgabe und unterstützen Kooperationen und insbesondere zivile Lösungen in der kommunalen Kriminalprävention. Das Konzept der Sicherheitspartnerschaften liegt uns daher sehr nahe. Diese können auch erheblich zu einer Verbesserung des Sicherheitsgefühls der vor Ort lebenden Menschen beitragen. Denn diese kennen die spezifischen örtlichen Gefahren am besten.
FDP
Wir Freie Demokraten wollen, dass der Rechtsstaat die Sicherheit und die Freiheit seiner Bürgerinnen und Bürger schützt. Gerade in den letzten Jahren haben wir erlebt, dass auf jedes sicherheitsrelevante Ereignis oder auf Grundlage einer gefühlten Sicherheitslage reflexartig neue Eingriffsbefugnisse für die Sicherheitsbehörden oder Strafschärfungen gefordert und zum Teil umgesetzt wurden, ohne dass damit ein wirklicher Sicherheitsgewinn einhergegangen wäre. Besser wäre es, Polizei und Justiz mit den nötigen Personal- und Sachmitteln auszustatten. Kriminalistinnen und Kriminalisten kritisieren seit Längerem, dass Polizei und Staatsanwaltschaften nicht mehr die Ressourcen haben, in Fällen von Alltags- oder Bagatellkriminalität die nötigen Ermittlungen durchzuführen. Einstellungen des Verfahrens sind in diesem Kriminalitätsbereich zur Regel geworden. Diese Zustände schädigen nachhaltig das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaates.
Die Linke
Die Sicherung kommunaler Präventionsangebote ist tatsächlich Aufgabe der Länder und im weiteren der zuständigen Kreispolizei- und Ordnungsbehörden. Hier sind in den vergangenen Jahren gute Konzepte entwickelt worden, etwa zur Sensibilisierung der Bevölkerung bei bestimmten Diebstahls- und Einbruchsdelikten und zu einfachen Selbstschutzmaßnahmen. Hier ist aus unserer Sicht entscheidend, dass die Länder finanziell so ausgestattet sind, dass sie dieser Aufgabe auch nachkommen oder sie ausbauen können. Die von uns geforderte Vermögenssteuer kann hierzu einen ganz wesentlichen Beitrag leisten.
AfD
Die konsequente Abschiebung straffällig gewordener Ausreisepflichtiger würde viele Verbrechen verhindern. Ebenso eine Einwanderungspolitik, die kriminelle Menschen möglichst gar nicht erst ins Land lässt. In einem Land, das zunehmend in Parallelgesellschaften zerfällt und kaum mehr integrationsfähig ist, bleibt die innere Sicherheit auf der Strecke. Hier muss gegengegensteuert werden. Konsequent gilt es, bestehendes Recht auch umzusetzen. Straftäter, die den Staat nicht fürchten, lassen nicht von ihrem kriminellen Tun ab. Zu den Maßnahmen, die die AfD zudem vorschlägt, gehört die Bekämpfung von Verwahrlosung im öffentlichen Raum (Broken-Windows-Theorie) sowie die Wiederherstellung notwendiger Disziplin an den Schulen.
Eine besondere Rolle im Kriminalitätsgeschehen spielen junge Täter. Ihnen steht derzeit ein geradezu zahnloses Recht gegenüber. Erzieherische Erfolge in diesem Segment lassen sich erfahrungsgemäß nur durch sofortige Inhaftierung der Täter schwerer Delikte erreichen. Wir fordern eine entsprechende Änderung der einschlägigen Gesetze, insbesondere des Haftrechts. Wegen der immer früher einsetzenden kriminellen Entwicklung muss das Strafmündigkeitsalter auf zwölf Jahre abgesenkt werden und mit dem Erreichen der Volljährigkeit auch das Erwachsenenstrafrecht Anwendung finden. Insgesamt lässt sich sagen, dass die AfD diejenige Partei ist, die sich am energischsten und glaubwürdigsten für die innere Sicherheit in Deutschland einsetzt.
Anmerkung der Redaktion: Unsere Bitte um ein kurzes Statement zu den acht Fragen haben die Parteien unterschiedlich umgesetzt; eine Vorgabe zum Umfang hatten wir nicht gemacht. Die Antworten aus den Zentralen der im Bundestag vertretenen Parteien geben wir um wenige Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler bereinigt wieder.