Mainz/Berlin – Erstmals wird in Deutschland am heutigen 11. März mit einem nationalen Gedenktag der Opfer terroristischer Gewalt gedacht, unter anderem mit Trauerbeflaggung an allen Dienstgebäuden des Bundes. „Das ist ein guter erster Schritt“, sagt Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS, Deutschlands größter Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer.
„Bei Terroranschlägen ist es wichtig zu wissen, dass sich die Opfer stellvertretend für den Staat, für unsere freie demokratische Gesellschaft, getroffen fühlen“, betont Biwer. Deshalb habe es eine besondere Bedeutung, wenn „eine Nation innehält und an diese Menschen denkt, den Schmerz der Angehörigen und das Leid der Betroffenen mitfühlt“.
Dass es an diesem ersten Gedenktag allerdings nur eine einzige zentrale Veranstaltung des Bundes im kleinen Rahmen, ohne die Teilnahme von Betroffenen gibt, sei „unglücklich“, sagt Biwer. Das Wichtigste an einem solchen Tag sei, „dass die Angehörigen und Betroffenen mit ihren Geschichten im Mittelpunkt stehen“. Das müsse bei zukünftigen Gedenktagen anders gelöst werden. „Eine Möglichkeit wäre es, dass die Opfer im Rahmen einer Veranstaltung über ihre Erlebnisse sprechen können und wir alle ihnen zuhören“, sagt Bianca Biwer. Auch eine bundesweite Schweigeminute sei denkbar.
Umgang mit Opfern teils „jenseits von Gut und Böse“
Berlin, Hanau, Halle – In den vergangenen Jahren sind bei Terroranschlägen in Deutschland zahlreiche Menschen getötet und verletzt worden. Oft seien Behörden danach „in einer Art und Weise mit Angehörigen und Opfern umgegangen, das war jenseits von Gut und Böse“, sagt die Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS und nennt Beispiele:
-> Die Tochter einer getöteten Frau bekam per Post die blutverschmierte Handtasche ihrer Mutter zugeschickt.
-> Behörden schickten kurz nach Weihnachten die Rechnungen für forensische Obduktionen an Angehörige.
-> Opfer und Angehörige erfuhren erst aus den Medien über neue Ermittlungsergebnisse.
„Es ist wichtig, dass Behörden aufhören, rein behördliche Sachverhalte aus Anschlägen zu machen. Sie sollen stattdessen die Menschen in ihrem Leid und Schmerz sehen, deren Gefühle wahrnehmen“, sagt Bianca Biwer. Es sei ein generelles Umdenken nötig, zudem könnte der Umgang mit traumatisierten Betroffenen durch Schulungen für Behördenmitarbeiter verbessert werden. „Wichtig ist auch, dass Standardanschreiben der Behörden nicht nach Schema F verfasst werden, sondern mit einem Blick auf die Opfer“, so Biwer.
Hintergrund: Die Bundesregierung hatte im Februar die Einführung des nationalen Gedenktages am 11. März beschlossen. Das Datum knüpft an den Europäischen Gedenktag für die Opfer des Terrorismus an, der nach den islamistisch motivierten Bombenanschlägen in Madrid vom 11. März 2004 ins Leben gerufen wurde. Damals starben 191 Menschen. Der Europäische Gedenktag wurde erstmals 2005 begangen.