WEISSER RING fordert besseren Schutz für Retter

Umfrage: Hälfte der Feuerwehrleute hat Gewalt im Einsatz erlebt

Berlin – Gewalt gegen Feuerwehrleute ist einer Umfrage zufolge weit verbreitet. 49,5 Prozent der befragten Frauen und Männer im ehrenamtlichen Feuerwehrdienst gaben an, in den vergangenen zwei Jahren Gewalt in Form von Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder tätlichen Angriffen erlebt zu haben. Das geht aus einer am Donnerstag in Berlin vorgestellten Befragung des Deutschen Feuerwehrverbandes und der Gesetzlichen Unfallversicherung hervor. „Es handelt sich demnach um ein massives Problem.“

Das Logo der Kampagne „Helfer sind Tabu!“. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Am häufigsten berichteten die Befragten von Beschimpfungen und Beleidigungen. Tätliche Angriffe seien deutlich seltener. Mehr als einem Drittel (35,9 Prozent) sei während eines Einsatzes angedroht worden, mit einem Fahrzeug angefahren zu werden. 14 Prozent gaben an, mit Feuerwerkskörper beworfen worden zu sein. 16 Prozent sagten, sie seien über die sozialen Medien beleidigt oder beschimpft worden.

Die Online-Befragung ist den Angaben zufolge die erste bundesweite Befragung zu Gewalterfahrungen von ehrenamtlichen Einsatzkräften. Mehr als 6500 Feuerwehrleute haben demnach von Anfang November bis Mitte Dezember teilgenommen.

Kampf gegen Hochwasser – und Anfeindungen

„Die Zahl erlebter Gewaltvorfälle gegen Einsatzkräfte ist zu hoch – und mittlerweile trauriger Alltag“, sagte der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Karl-Heinz Banse, laut einer Mitteilung. Viele Betroffene erstatteten nach wie vor keine Anzeige bei der Polizei, weil sie nicht glaubten, dass ihr Anliegen ernst genommen werde. 80 Prozent der Befragten haben laut Umfrage vor allem Respektlosigkeit und mangelnde Wertschätzung als schlimm empfunden.

Symbolbild: Lars Penning/dpa

Im NDR sagte Banse am Donnerstag, dass Feuerwehrleute aktuell beim Einsatz gegen das Hochwasser immer wieder attackiert würden. Nicht unbedingt in tätlicher Form, aber es gebe Beleidigungen und Diskussionen mit Betroffenen. Anwohnerinnen und Anwohner würden auch Sandsäcke von Deichen klauen, weil sie selber keine hätten, so Banse. Schaulustige seien ebenfalls ein Problem, „die unbedingt an den höchsten Punkt des Hochwassers müssen, um zu fotografieren, was da gerade passiert“, sagte Banse.

WEISSER RING: „Wer einen Rettungseinsatz behindert, gefährdet Menschenleben“

Bereits im November hatte der WEISSE RING vor den Folgen einer wachsenden Gewalt gegen Einsatzkräfte gewarnt. „Jeder Angriff auf Rettungskräfte gefährdet Menschen, die unverschuldet in Not geraten, ein zweites Mal“, sagte der Bundesvorsitzende von Deutschlands größter Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, Patrick Liesching, der Deutschen Presseagentur in Mainz. „Politik und Gesellschaft müssen Grundpfeiler unseres Gemeinwesens wie das Rettungswesen und das Ehrenamt in einem gemeinsamen Kraftakt vor Angriffen schützen“, forderte Liesching.

Der WEISSE RING hatte sich zuvor in der Herbstausgabe seines Magazins „Forum Opferhilfe“ intensiv mit dem Thema beschäftigt. So sei die Gewalt gegen Retter und Retterinnen seit 2019 den amtlichen Daten zufolge um etwa ein Drittel auf rund 39.000 Fälle pro Jahr gestiegen. Laut einer Erhebung der Redaktion des WEISSEN RINGS habe sich die Zahl der Pressemitteilungen der Polizei zu diesen Angriffen in den vergangenen zehn Jahren mehr als verzehnfacht.

„Die Opfer vor allem im Ehrenamt bleiben unsichtbar“, betonte Liesching. Es sei nicht bekannt, wie oft Freiwillige betroffen seien. Unerforscht sei auch, welchen Belastungen sie ausgesetzt seien. „Wer will noch ehrenamtliche Arbeit leisten, wenn er damit rechnen muss, dabei bedroht, bespuckt und geschlagen zu werden?“ Das gesellschaftliche Leben sei aber auf das Ehrenamt angewiesen. „Die Gefahren fürs Ehrenamt müssten erfasst und in den Blick genommen werden.“ Dabei sei eine Unterscheidung zwischen haupt- und ehrenamtlichen Einsatzkräften in den Statistiken sinnvoll.

Notwendig sei auch mehr Aufklärung und Verständnis in der Bevölkerung. „Jedem muss klar sein: Wer einen Rettungseinsatz behindert, gefährdet Menschenleben“, betonte der Jurist. Und: „Wer Gewalt gegen Rettungskräfte ausübt, trifft oftmals ehrenamtliche Mitarbeitende, die ihre Freizeit dafür opfern, um anderen zu helfen.“

Datenanalyse: Wie groß ist das Problem wirklich?

„Der Staat muss Menschen, die im Dienst der Gesellschaft arbeiten, vor Angriffen schützen“, betonte Liesching. „Tut er das nicht, gefährdet das demokratische Zusammenleben.“ Der WEISSE RING begrüße es daher, dass der Schutz des Ehrenamts in den Strafzumessungsregeln Berücksichtigung finden solle.

Foto: Guido Schulmann/tv-niederrhein/dpa