Frau Glowatzki, seit der Reportage „Auf dem Platz“ sind mittlerweile mehr als drei Jahre vergangen. Laut Deutschem Fußball-Bund (DFB) wurden in der Saison 2022/2023 in Ihrem Verband in Westfalen deutlich mehr Spiele wegen Gewalt abgebrochen als noch 2021. Sind Sie noch als Schiedsrichterin im Einsatz?
Offiziell bin ich noch Schiedsrichterin, ja. Allerdings falle ich momentan aus, weil ich nach einem Arbeitsunfall Probleme am Kreuzband habe. Tatsächlich ist es aber mein letztes Jahr. Zum Ende der Saison höre ich höchstwahrscheinlich auf.
Warum das?
Das hat mehrere Gründe. Neben der Arbeit wurde es mir zu viel. Ich führe mit meinem Vater unseren Bagger- und Fuhrbetrieb. Weil ich da oft auch samstags im Einsatz bin, ist der Sonntag der einzige Ruhetag in der Woche. Ich hatte oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich Termine absagen musste. Eigentlich wollte ich die Schiedsrichterprüfung noch machen, damit ich im Notfall einspringen kann. Es gab aber im vergangenen Jahr einen Vorfall, nach dem ich wohl nicht mehr weitermachen möchte.
Was ist passiert?
Nach einem Kreisligaspiel wurde ich von einem Anhänger der Mannschaft, die verloren hat, bedrängt. Er ist mir in die Kabine gefolgt und hat sich in die Tür gestellt, um mir die Meinung zu sagen. Er ist selbst Schiedsrichter und im Verband aktiv. Ich wollte, dass sein Verhalten Konsequenzen hat – es wäre seine Aufgabe, uns Schiedsrichter zu schützen und auf unserer Seite zu stehen. Deshalb habe ich den Vorfall gemeldet. Die Reaktion des Verbands war für mich nicht ausreichend, und ich habe zu wenig Rückhalt gespürt. Auch deshalb höre ich wahrscheinlich auf.
Ist der Ton auf dem Platz rauer geworden?
Der Ton war schon immer rau. Seit ich 2011 mit dem Pfeifen angefangen habe, kommt mein Vater zu allen Spielen mit, falls mal was passiert. Meiner Mutter war es nach einem Jahr schon zu viel. Ich denke aber schon, dass es mehr geworden ist.
Welche Rolle spielen die sozialen Medien?
Die tragen auf jeden Fall dazu bei, dass es schlimmer geworden ist. Es kommt immer wieder vor, dass Leute nach einem Spiel, das ich gepfiffen habe, meinen Account finden und mir da Nachrichten schreiben. Zum Beispiel mit Videos, auf denen angeblich klar erkennbar ist, was ich falsch gemacht habe. Oft auch Beleidigungen. Das meiste schaue ich mir gar nicht an. Ich kann das ganz gut von mir fernhalten.
Ist es auf den Plätzen in den unteren Ligen schlimmer?
In der Kreisliga wird besonders viel diskutiert. Da wird auch böser gefoult, auch unbeabsichtigt, weil sie den Ball nicht so gut und präzise treffen. Außerdem sind manche der Spieler nicht so regelsicher, deshalb muss ich viel erklären und es wird diskutiert. In der Bezirksliga sind die Spieler oft ballsicherer. Da wird mehr gespielt und weniger geredet.
Sie stehen auch als Spielerin für den VfL Langeland auf dem Platz. Können Sie durch diesen Blickwinkel verstehen, dass beim Spiel die Emotionen auch mal hochkochen?
Klar kann ich das verstehen. Beide Mannschaften wollen gewinnen, und die Fans fiebern mit. Als Schiedsrichterin bin ich auch nicht perfekt und mache vielleicht mal einen Fehler. Dass man kritisiert wird oder Entscheidungen hinterfragt werden, muss man abkönnen, sonst ist es nicht das richtige Hobby für einen. Wichtig ist aber, dass man sich hinterher wieder die Hand geben kann und dass alle wissen, dass das nur ein Fußballspiel war und dass es danach auch vorbei ist. Was eben nicht geht, ist, wenn die Spieler oder Fans einen dann noch in die Kabine oder zum Parkplatz verfolgen und sich aggressiv verhalten.
Ist es für Sie als Frau anders als für männliche Schiedsrichter-Kollegen?
Mein Eindruck ist, wir Frauen werden mehr beschimpft und beleidigt, bei den Männern wird es eher auch körperlich. Auch wenn es auch bei Kolleginnen schon vorgekommen ist, dass sie körperlich angegriffen worden sind. Ich habe das zum Glück selbst nicht erlebt. Auch wenn es schon Situationen gegeben hat, in denen ich dachte, gleich bekomme ich eine mit.
Sie hatten 2021 gesagt, man müsse sich überlegen, ob es einem noch Spaß macht. Hat es Ihnen denn Spaß gemacht?
Ja, oft hat es auch Spaß gemacht. Es gab immer auch Spiele, die sehr gut gelaufen sind. Vereine, die einen nett empfangen haben, oder Partien, bei denen ich das Gefühl hatte, ich werde gar nicht gebraucht, weil alles so fair lief. Ich würde also mit gemischten Gefühlen aufhören.
Carolin Scholz