Hass und Hetze

Ein Anruf bei Johann Kühme

Unter der Überschrift „Der Hass und das Recht“ spürte unser Autor Karsten Krogmann in Ausgabe 01/2021 der Frage nach, welche Folgen der wachsende Hass im Internet für Betroffene hat und warum es so selten strafrechtliche Konsequenzen gibt. Im Text ging es unter anderen um den Oldenburger Polizeipräsidenten Johann Kühme, der nach kritischen Äußerungen über die AfD beleidigt und bedroht wurde. Zeit für ein paar Nachfragen.

Foto: Hauke-Christian Dittrich / dpa

In unserem Text „Der Hass und das Recht“ haben wir darüber berichtet, wie Sie beleidigt und bedroht wurden und sich dagegen juristisch zur Wehr gesetzt haben. Im letzten Satz unseres Textes heißt es: „Neun Verfahren sind noch offen (…), Ausgang ungewiss.“ Steht der Ausgang inzwischen fest?
Ja, die Verfahren sind abgeschlossen. In sieben Fällen konnten die Täter nicht ermittelt werden. In zwei Fällen, für die Beleidigungen „Idiot“ und „Spacko“, gab es Strafbefehle für die Täter.

Es waren Ihre warnenden Aussagen zur AfD, die damals zu den vielen Beleidigungen gegen Sie geführt hatten. Das hat Sie nicht davon abgehalten, sich 2023 in einem Interview mit der Oldenburger „Nordwest-Zeitung“ erneut kritisch zu der Partei zu äußern. Diesmal reagierte die AfD juristisch, sie reichte Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie ein und verklagte das Land wegen „stigmatisierender und ehrschädigender Aussagen über eine politische Partei durch eine Polizeibehörde“. Wie gingen diese Verfahren aus für Sie und Ihren Arbeitgeber, das Land Niedersachsen?
In dem Interview mit der Überschrift „Polizeichef Kühme: AfD gefährdet innere Sicherheit“ habe ich an konkreten Beispielen erklärt, wie die AfD Ängste schürt und so das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen negativ beeinflusst. Unter anderem zitierte ich einen AfD Bundestagsabgeordneten, der in einer Zeitung gesagt hatte, dass es Ängste und Unzufriedenheit brauche, damit die Menschen bei einer Wahl für die AfD stimmten. Die AfD hat daraufhin eine Dienstaufsichtsbeschwerdeerhoben, die Anfang 2024 abgewiesen wurde mit dem Hinweis, dass ich keine Dienstpflichtverletzung begangen habe. Wegen dieses Interviews hat die AfD zudem Klage beim Verwaltungsgericht Oldenburg erhoben, um die Frage der Neutralität klären zu lassen. Dieses Verfahren ist noch anhängig.

Sahen Sie sich wegen des Interviews erneut Beleidigungen und Bedrohungen ausgesetzt?
Erstaunlicherweise gab es danach keinen Hass per Mail oder Social Media, zumindest kam nichts davon bei mir an. Stattdessen habe ich unglaublich viele positive Rückmeldungen bekommen, persönlich, inForm von Schreiben oder öffentlicher Rückendeckung durch die Innenministerin, von Polizeiführungskräften, Gewerkschaften oder Bürgerinnen und Bürgern. Sehr gefreut habe ich mich, dass der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, öffentlich sagte, mein Beispiel habe sein Vertrauen in die Institution Polizei „nochmals überaus befördert“.

Seit einem halben Jahr befinden Sie sich im Ruhestand. Wie steht es seitdem um den von Ihnen gern zitierten „Polizeischutz für die Demokratie“?
Die Polizei Niedersachsen hat das strategische Zielformuliert: „Wir bewahren unser freiheitlich demokratisches Selbstverständnis und stärken unsere Widerstandskraft gegen demokratiegefährdende Erscheinungen.“ Im Gegensatz zu linken Populisten versuchen rechte Populisten ja, die Polizei für ihre Interessen zu instrumentalisieren. Dagegen müssen wir uns wehren, da müssen wir resilient sein. Ich habe keinen Zweifel, dass die gesamte Führung der niedersächsischen Polizei sich weiterhin in aller Deutlichkeit gegen das intolerante, ausgrenzende Weltbild der rechten Populisten positionieren wird.

Sie sind kein Polizist und kein politischer Beamter mehr. Wie sehen jetzt Ihre Tage aus? Ich muss mich daran gewöhnen, nicht mehr jeden Tag mit so vielen tollen Leuten innerhalb und außerhalb der Polizei im Gespräch zu sein. Aber es ist auch viel Druck von mir gewichen, das ist eine Entlastung. Meine Frau, die auch in den Ruhestand gegangen ist, und ich nutzen unsere Zeit viel für Fahrradtouren durch den Nordwesten, das genießen wir sehr. Wir haben zweikleine Enkelkinder, was wir auch sehr genießen. Und seit Juni fahre ich in der Gemeinde im Ammerland, in der ich wohne, ehrenamtlich den Bürgerbus. Das ist eine schöne Geschichte.

Aktuelle Umfragen zeigen, dass auch Busfahrer zunehmend Hass und Hetze erleben …
Die Menschen, die den Bürgerbus heranwinken und bei mir einsteigen, freuen sich und sind alle nett zu mir. Nein, Hass erlebe ich hier nicht, die Arbeit bereitet mir einfach nur Freude.

Karsten Krogmann

Der ursprüngliche Artikel aus 2021 zum Weiterlesen: