Seit den terroristischen Massakern der Hamas in Israel am 7. Oktober sind antisemitische Vorfälle in Deutschland sprunghaft angestiegen. Sowohl die Sicherheitsbehörden als auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie RIAS registrieren seither eine Vielzahl judenfeindlicher Delikte. Einige Fälle aus den Wochen nach dem Terrorangriff:
- In Berlin-Marzahn werden mehrere Familien auf einem Spielplatz antisemitisch beleidigt. Laut Polizei hat der Täter zudem den Hitler-Gruß gezeigt.
- Bei einer pro-palästinensischen Demo in München richten sich Parolen gegen das Existenzrecht Israels. Die Polizei nimmt zwei Männer wegen antisemitischer Drohungen fest.
- In Salzgitter holen unbekannte Täter eine Israel-Flagge, die von der Stadt gehisst wurde, von einem Fahnenmast und zünden diese vor der Stadtbücherei an.
- An der berühmten East Side Gallery in Berlin sprühen Unbekannte auf Überreste der Berliner Mauer Hakenkreuze und den Schriftzug „Kill Juden“.
- Der Antisemitismus-Beauftragte des Landes Baden-Württemberg, Michael Blume, erhält im Zusammenhang mit Gewaltaufrufen der Hamas eine Morddrohung.
- In Frankfurt am Main schänden Unbekannte eine Erinnerungsstätte für NS-Verbrechen. An der Friedberger Anlage, wo bis zur Brandstiftung in der Reichspogromnacht 1938 die größte Synagoge der Stadt stand, fanden sich die Parolen: „Stop bombing Gaza, Free Palestine, Zionist Assasin“.
- Eine Bar in Berlin-Neukölln, in der regelmäßig Veranstaltungen zum Thema Judentum und Holocaust stattfinden, wird von zwei Männern und einer Frau überfallen. Die Eindringlinge beleidigen Personal und Gäste israel- und judenfeindlich und reißen ein Plakat von der Wand, das an eine Frau erinnert, die bei dem Terrorangriff der Hamas ermordet wurde.
- Eine Versammlung in Kassel, die auf die Terrorangriffe der Hamas aufmerksam machen will, wird mit „Allahu Akbar“-Rufen gestört. Ein Passant droht, dass bald auch hier passieren werde, was kürzlich in Israel geschah.
- In Berlin-Neukölln wirft ein Mann, der nach Angaben der Betroffenen Arabisch gesprochen haben soll, einen Feuerwerkskörper auf ein Paar, das sich auf Hebräisch unterhalten hat.
- An einem bekannten Neonazi-Treff im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld wird an der Fassade ein Banner mit der Aufschrift „Israel ist unser Unglück“ angebracht. Die rechtsextreme Parole ähnelt jener des NS-Hetzblattes „Der Stürmer“, die lautete: „Die Juden sind unser Unglück“.
- In Kiel werden auf einer Solidaritätskundgebung für Israel mehrere Teilnehmende aus einer Gruppe heraus angespuckt.
- Nach einer Solidaritäts-Bekundung mit Israel auf Instagram erhält eine Frau den Kommentar: „Schade, dass Hitler dich nicht vergast hat.“
- Der Fußballtrainer einer Kindermannschaft, in der Grundschüler im Alter von bis zu zehn Jahren spielen, wird in Bayern am Telefon massiv bedroht, er solle mit seinem Team nicht gegen den jüdischen Verein TSV Maccabi München antreten. Das Spiel muss daraufhin abgesagt werden.
- In Chemnitz wird einer 72-Jährigen, die bei einer Kundgebung der Terror-Opfer in Israel gedachte, von drei Jugendlichen ein Israel-Fähnchen entrissen. Ein 55-Jähriger wird danach von den Tätern umgerannt und anschließend so getreten, dass er ins Krankenhaus gebracht werden muss. Im Umfeld der Versammlung zeigt ein Mann den Hitler-Gruß.
Quellen: RIAS e.V., Belltower News, Berliner Zeitung, RBB, Süddeutsche Zeitung, WDR
Auch vor dem 7. Oktober gab es regelmäßig antisemitische Anfeindungen, Drohungen und Übergriffe. Einige Fälle aus den vergangenen Monaten:
- Der Staatsschutz der Münchner Polizei ermittelt im Mai einen 37 Jahre alten Berliner als Tatverdächtigen, der dem Jüdischen Museum und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), an der es einen Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur gibt, in E-Mails mit einem Bombenanschlag gedroht haben soll. Einige Wochen zuvor soll der Mann bereits antisemitische Mails an die Israelitische Kultusgemeinde in München geschickt haben.
- In Berlin-Neukölln werden Ende August zwei nichtjüdische Touristen aus den Niederlanden angespuckt, als „Scheißjuden“ beleidigt und angegriffen.
- Am Sendlinger-Tor-Platz in München wird im August eine Gruppe von Kindern im Alter von sieben und acht Jahren sowie deren Betreuer von einer 57-Jährigen Frau antisemitisch beleidigt. Die Tatverdächtige gab danach an, sie habe gehört, wie sich die Kinder auf Hebräisch unterhalten haben.
- Im Mai zeigen zwei Schüler einer neunten Klasse aus dem sächsischen Leisnig in der Jugendbegegnungsstätte des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau den Hitler-Gruß. Sechs Schüler werden daraufhin vorläufig vom Unterricht suspendiert und erhalten einen Schulverweis auf Bewährung.
- Im Juni werden in Aschaffenburg (Bayern) mehrere Stolpersteine, die im Gedenken und zur Erinnerung an Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung vor deren ehemaligen Wohnorten verlegt werden, mit einer offenbar ätzenden Flüssigkeit übergossen. Das Projekt Stolpersteine wurde von dem Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen.
- Im Januar werden drei Reporterinnen und Reporter im sächsischen Freiberg bei einem sogenannten Montagsspaziergang, wie Versammlungen mit Bezug zur Coronapandemie oder zum Angriffskrieg in der Ukraine in Sachsen vielerorts bezeichnet werden, von Teilnehmenden als „Scheißjuden“ beleidigt. RIAS Sachsen warnt vor einer besorgniserregenden Tendenz bei solchen Demonstrationen.
- Im September wird der Jüdische Friedhof in Köthen (Sachsen-Anhalt) erneut geschändet. 40 Grabsteine werden von Unbekannten beschädigt oder umgestoßen. Die Täter richten einen Sachschaden von etwa 20.000 Euro an. Schon im Vorjahr wurden auf dem Friedhof 16 Grabsteine attackiert.
Quellen: Amadeu Antonio Stiftung, RIAS e.V., tagesschau.de, Bayerischer Rundfunk, Jüdische Allgemeine, MDR und Süddeutsche Zeitung
Definition: Was ist Antisemitismus?
Text: Michael Kraske
Foto: Christoph Soeder/dpa