Nach tödlichem Schuss in Idar-Oberstein

Bürgermeister in Sorge vor zunehmender Radikalisierung

Berlin – Nach dem tödlichen Schuss bei einem Streit um die Maskenpflicht in Idar-Oberstein haben mehrere Oberbürgermeister vor einer zunehmenden Radikalisierung in der Gesellschaft gewarnt und teils die Justiz kritisiert. „Wir erleben eine Verrohung, wie wir sie bisher nicht kannten“, sagte der Präsident des Deutschen Städtetags, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), dem Berliner Tagesspiegel. Dies habe 2015 mit der Flüchtlingsdebatte begonnen und sich in der Pandemie fortgesetzt, von den Reichsbürgern bis zu den Corona-Leugnern.

Er kritisierte den Umgang der Justiz mit solchen Taten: „Die Staatsanwaltschaften sind mir oft zu luschig“, sagte Jung. „Es ist eben nicht Meinungsfreiheit, wenn Artikel 1 unseres Grundgesetzes verletzt wird, also die Würde des Menschen.“

Die Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) beklagte in dem gemeinsamen Interview mehrerer Stadtoberhäupter eine gewisse Schutzlosigkeit. Wenn sie Anzeige erstatte, würden die Verfahren oft eingestellt. „Wenn es hart auf hart kommt, fühle ich mich ausgeliefert, weil man überhaupt keine Möglichkeit hat, sich zur Wehr zu setzen“, erklärte sie.

Einem 49-jährigen Deutschen wird vorgeworfen, im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein einen 20 Jahre alten Tankstellen-Kassierer erschossen zu haben, nachdem der ihn auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte.

Die steigende Zahl von Gewalttaten gegen Amtsträger, Polizeibeamte und politisch Andersdenkende ist auch nach Ansicht des WEISSEN RINGS Ausdruck einer zunehmenden Verrohung der Gesellschaft, die dringend gestoppt werden muss. „Hass und Hetze können nicht nur zu Gewalttaten bis zum Mord führen – sie tun es längst!“, warnte Jörg Ziercke, Bundesvorsitzender von Deutschlands größter Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, bereits im Mai 2020. Deshalb hat der WEISSE RING „Hass und Hetze“ zum Jahresthema 2021 gemacht.

Quellen:
Text: dpa
Foto: Christian Schulz/Foto Hosser/dpa