Ein Handelnder im Auftrag der Opfer

WEISSER RING trauert um Prof. Dr. Helmut Fünfsinn

Frankfurt am Main/Mainz – Als nach der Amokfahrt im nordhessischen Volkmarsen die ersten Opfer vor Gericht aussagen mussten, saß im Saal natürlich auch dieser Mann: eine eher schmale Erscheinung im Jackett, Mund und Nase unter der Maske verborgen, hinter der Brille aber wache, freundliche Augen, die alles und jeden zu sehen schienen. Selbstverständlich saß er mitten zwischen den Angehörigen, es wirkte, als er kenne er jeden von ihnen persönlich. Vermutlich war es auch so.

Prof. Dr. Helmut Fünfsinn war „Beauftragter der Hessischen Landesregierung für die Opfer von Terroranschlägen und schweren Gewalttaten“, kurz „Opferbeauftragter“, was es besser trifft, denn Fünfsinn verstand sich immer als Handelnder im Auftrag der Opfer. Nach dem Mordanschlag in Hanau, nach der Amokfahrt in Volkmarsen war er für die betroffenen Menschen da, orchestrierte die Hilfsleistungen. Diese kamen von verschiedenen Seiten, vom WEISSEN RING zum Beispiel, von der Kasseler Hilfe, vom Land, aber Fünfsinn bündelte und lenkte. Am Ende hieß es dann, etwa von einer Betroffenen in Volkmarsen: „Vom Opferschutz her war das super – Helmut Fünfsinn hat das sehr gut zusammengehalten.“

Fünfsinn war nicht einfach nur Mitglied im WEISSEN RING, er war überzeugt: „Wo staatliche Hilfe oft lange braucht, ist der WEISSE RING sofort zur Stelle.“ Dabei war er selbst ein Mann des Staates: Nach dem Jurastudium in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main arbeitete er als Richter, später im Justizministerium, schließlich als Generalstaatsanwalt. Im April 2020 wurde er ehrenamtlicher Opferbeauftragter.

Für die Mitarbeiter des WEISSEN RINGS, ob im Ehrenamt in den hessischen Außenstellen oder im Hauptamt in der Bundesgeschäftsstelle in Mainz, war Fünfsinn ein wichtiger und äußerst geschätzter Gesprächspartner. Vor allem in Fragen der Kriminalprävention war sein Rat gefragt, ebenso wie bei Großlagen in ganz Deutschland, die für den WEISSEN RING in den vergangenen Jahren mit erschreckender Regelmäßigkeit zu bewältigen waren: Berlin, Münster, Halle, Hanau, Volkmarsen, Trier…

In erster Linie aber profitierten die Opfer von Fünfsinns Expertise und Empathie. Im Volkmarsen-Prozess, im großen Kasseler Kulturbahnhof, erklärte er höflich und zugewandt jedem, der fragte, die Eigenheiten eines Strafprozesses – und ungefragt auch gern die Schwächen einer solchen Gerichtsverhandlung aus Sicht der Opfer.

Am Sonntag, 6. Februar, ist Helmut Fünfsinn viel zu früh im Alter von 67 Jahren gestorben.

„Ein großer Verlust“, sagt Dr. Patrick Liesching, Landesvorsitzender des WEISSEN RINGS in Hessen: „Herr Prof. Dr. Fünfsinn war als Vorsitzender des Landespräventionsrats und Beauftragter der Hessischen Landesregierung für die Opfer von Terroranschlägen und schweren Gewalttaten ein enger Partner des WEISSEN RINGS in Hessen. Er hat sich fachlich kompetent und dabei stets menschlich zugewandt für die Belange von Kriminalitätsopfern eingesetzt – zuletzt mit großem persönlichem Engagement für die Betroffenen des Anschlags in Hanau sowie der Amokfahrt in Volkmarsen. Wir werden ihm und seinem Wirken stets ein ehrenvolles Andenken bewahren.“

Text: Karsten Krogmann
Foto: privat