Justizminister Buschmann reagiert auf Kritik

Videokameras im Gerichtssaal „nur noch eine Option“

Berlin/ Mainz – Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat einen Kompromissvorschlag für die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Hauptverhandlung im Strafverfahren vorgelegt. In einem neuen Referentenentwurf, der nun zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung ging, ist die Videoaufzeichnung nicht mehr zwingend vorgesehen. Außerdem sollen die Justizbehörden der Länder mehr Zeit als ursprünglich geplant bekommen, um die Technik für Tonaufzeichnung und Transkription zu beschaffen. Zuvor hatten der WEISSE RING, Richter und Staatsanwälte die geplante Videoaufzeichnung im Gerichtssaal teils massiv kritisiert.

Am Kern seines Vorhabens hält Buschmann aber fest. „Mir ist wichtig, dass wir zu einer besseren Dokumentation von strafgerichtlichen Hauptverhandlungen kommen. Denn in Strafverfahren geht es um sehr viel: den guten Namen und die Freiheit eines Menschen“, sagte der Minister. Dass sich die Verfahrensbeteiligten bislang nach einem mitunter monatelangen Prozess alleine auf ihre Notizen und ihr Gedächtnis verlassen müssten, sei nicht zeitgemäß.

Ein erster von Buschmann im November vorgelegter Entwurf für ein ‚Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung‘ sah noch vor, die Hauptverhandlung künftig in Bild und Ton aufzuzeichnen und die Tonaufzeichnung mittels Transkriptionssoftware in ein Textdokument umzuwandeln.

Heftige Kritik kam damals sowohl vom WEISSEN RING als auch von Staatsanwälten und Richtern. Sie warnten unter anderem davor, Zeugen könnten sich durch die Videoaufzeichnung eingeschüchtert fühlen. „Menschen, die unverschuldet Opfer geworden sind, werden sehenden Auges Belastungen und Gefährdungen ausgesetzt, obwohl ein nennenswerter Gewinn für die Wahrheitsfindung von der Videoaufzeichnung nicht zu erwarten ist. Im Gegenteil: Es ist leicht vorherzusehen, dass sich die Qualität von Zeugenaussagen dadurch erheblich verringern wird,“ sagte zuletzt Dr. Patrick Liesching, Bundesvorsitzender des WEISSEN RINGS. 

„Es gab einige Einwendungen gegen meinen ersten Vorschlag, die haben wir natürlich genau geprüft“, sagte Buschmann nun der dpa. Deshalb seien drei Anpassungen vorgenommen worden:

  • Erstens werde in dem Entwurf noch einmal klargestellt, dass der Bundesgerichtshof, das oberste Revisionsgericht, dadurch nicht zu einer Tatsacheninstanz wird.
  • Zweitens sollten die Länder die Verpflichtung zur flächendeckenden Aufzeichnung der Hauptverhandlungen bei den Staatsschutzsenaten erst zum 1. Januar 2028 umsetzen müssen und nicht bereits Anfang 2026. Bei den Landgerichten bleibe es bei einem „Einführungskorridor bis zum 1. Januar 2030“.
  • Drittens nehme er die Kapazitätsprobleme der IT-Abteilungen der Justizbehörden ernst, die bis Anfang 2026 noch stark mit der flächendeckenden elektronischen Akte beschäftigt seien. Unter anderem hatte Hessens Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck geäußert, er fürchte durch die ursprünglichen Pläne des Bundesjustizministeriums eine „erhebliche personelle und finanzielle Zusatzbelastung der Justiz“.

Justizminister Buschmann schlägt deshalb vor: „Die Tonspur und die digitale Transkription bleiben für alle verpflichtend – die Länder können aber auf die Einführung der Videoaufzeichnung verzichten.“ Die Videoaufzeichnung werde nur eine Option sein.

„Opferaussagen könnten alsbald im Internet zu finden sein“

Dr. Patrick Liesching
(Foto: Angelika Stehle)

Der WEISSE RING sieht auch den nun bekannt gewordenen Kompromiss kritisch. „Werden die Aufzeichnungen tatsächlich allen Verfahrensbeteiligten unverzüglich übermittelt, ist es doch keine nur theoretische Befürchtung, die häufig hochsensiblen, den Intimbereich betreffenden Opferaussagen könnten alsbald im Internet zu finden sein“, sagt Dr. Patrick Liesching.  

Auch, weil Täter bei einer missbräuchlichen Verbreitung im Internet kaum zu ermitteln und dadurch eingetretene Schäden fast nicht zu begrenzen seien, argumentiert der Bundesvorsitzende des WEISSEN RINGS weiter.

Text: Christian Ahlers/ WEISSER RING mit Material der dpa
Foto: Stephen Schmidt/ Pixabay